Wiese
Oder: Gottes Weg mit mir?
Einschränkendes vorneweg
Wenn ich im Weiteren von Weg, Wegen, Pfaden und der Wiese spreche meine ich damit nicht die Bekehrung in Sinne folgender biblischer Aussage:
Geht durch das enge Tor! Denn das weite Tor und der breite Weg führen ins Verderben und viele sind auf diesem Weg
Ich gehe davon aus, dass man bereits durch dieses enge Tor gegangen ist. Es geht mir vielmehr darum, was hinter diesem engen Tor ist.
Und ich will jetzt weniger beschreiben wie ich zu der Überzeugung gekommen bin, vielmehr will ich meine Sicht der Dinge recht umfassend darlegen.
Weg oder Wege? Oder nichts?
Kurzer Überblick als Einstieg
Zu der Frage, wie Gottes Wille für mich ganz konkret aussieht habe ich unter Christen häufig zwei Varianten gehört, die ich erstmal kurz beschreiben möchte. Abschließend noch eine dritte Variante, die man in christlichen Kreisen vielleicht nicht so häufig explizit hört, aber doch auch zum Gesamtbild gehört.
Der eine Weg
Häufig habe ich Formulierungen der Art folgendne Art gehört:
Gott hat einen Plan für dich. Gehe einfach auf diesem einen Weg, den er für dich vorbereitet hat.
Die, manchmal nur implizite, manchmal aber auch explizite, Betonung liegt auf dem einen Weg. Gott hat bereits alles für dich vorbereitet, arbeite es einfach ab.
Zum Teil wird dies auch mit folgender Bibelstelle untermauert:
Gott hat alles, was wir tun sollen, vorbereitet; an uns ist es nun, das Vorbereitete auszuführen.
Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.
Im Grunde führt das in letzter Konsequenz zu einem Verständnis einer vollständigen Vorherbestimmung unseres Lebens, wodurch der freie Wille des Menschen unterminiert wird.
Ein Weg mit Kreuzungen
Eine weitere Meinung, der ich häufiger begegnet bin, sieht durchaus noch immer den einen Weg Gottes, aber mit Kreuzungen. Es gibt also Momente im Leben, wo wir die Wahl haben. (Lies: Freier Wille).
Grundsätzlich heißt die tägliche Frage also noch immer: Herr, was soll ich heute tun?
- aber es gibt Punkte, an denen Gott mir die Möglichkeit gibt zwischen zwei oder mehreren Alternativen zu entscheiden, die von seiner Position her alle (ähnlich) gut sind.
Alles ist erlaubt
Eine fundamental andere Sicht der Dinge ist die Meinung, dass es überhaupt keine Wegweisung Gottes gibt, sondern wir komplett auf uns allein gestellt sind.
Leb wie dir gefällt, tu was du meinst. Und wenn es Probleme gibt, dann schrei zu Gott um Hilfe.
Ein Stück weit begegnet uns das, meines Verständnisses nach, auch in der Bibel in einigen Geschichten im Alten Testatement. Die Juden, als Gottes erwähltes Volk, kannten Gott eigentlich und haben seinen Willen auch schriftlich, in Form der Tora erhalten. Dennoch steht immer mal wieder folgender Satz - zwar nur an einer Stelle so direkt, aber indirekt doch immer wieder:
Es gab zu jener Zeit noch keinen König in Israel und jeder tat, was er wollte.
Und das ist kein achselzuckendes Ja, damals war es so
, sondern diese Aussage ist durchaus eine Wertung:
Wille ≠ Führung
Im vorigen Kapitel war immer wieder der Begriff von Gottes Wille gebraucht. Was viele Menschen aber primär suchen und damit meinen ist Gottes ganz konkrete Führung in ihrem Leben.
Gottes Wille ist uns ganz eindeutig in seinem Wort, der Bibel dargelegt. Gottes Führung im Leben ist da eine ganz andere Kiste.
Da aber viele auch in den Gesprächen vom Willen reden, auch wenn sie vielleicht eher Führung meinen, wollte ich bewusst auch diese Formulierung im vorigen Kapitel nutzen. Im Folgenden will ich bewusst den Begriff der Führung verwenden.
[X] Wiese
Nun will ich versuchen darzulegen, wie ich Gottes Führung sehe und verstehe. Dabei ist mir klar, dass auch die von mir gebrauchte Analogie Schwächen und Tücken hat. Und es ist klar, dass auch diese nicht einfach mal beschrieben ist - dafür ist der Sachverhalt den die Analogie beschreiben will viel zu gewichtig.
Ich sehe es so:
Gott hat uns auf eine weite Wiese gestellt.
Diese Wiese hat manche flache Abschnitte, manche sind aber auch hügeliger. Auf der Wiese gibt es auch kleine Wälder und Täler.
Dann sagt Er: Siehst du davorne? Der große, prächtige Königspalast? Da möchte ich mit dir hin. Dort wollen wir gemeinsam Feiern.
Hinter dir, da wo du hergekommen bist - da möchtest du nicht wieder zurück.
Welchen Pfad auf der Wiese du nimmst ist erst einmal dir überlassen.
Aber bitte geh den Weg so, dass ich mich daran erfreue
, sagt der Herr noch.
Das ist, kurz zusammengefasst, die Analogie die ich als deutlich treffender ansehe was Gottes Führung angeht. Diese will ich nun noch ein wenig näher ausführen und beschreiben.
Geh den Weg so, dass ich mich daran erfreue
Damit will ich anfangen, weil dies für mich der zentrale Kern ist.
Die konkreten Handlungen, die einzelnen Entscheidungen die wir fällen - die sind in sich nicht der springende Punkt. Es geht Gott primär um uns, unser Wesen, unser Herz. Die Frage die ihn viel eher interessiert als das Was tust du?
ist das Warum tust du das?
Ich finde die Bibel ist oft genug deutlich, dass der Kern des ganzen in uns selbst liegt, und so steht zum Beispiel geschrieben:
Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Aussagen, Verleumdungen.
Ich glaube das ist in sich schon ziemlich deutlich. Und das ist, meines Verständnisses nach, der große Unterschied zur Alles ist erlaubt
-Haltung: Wenn du in deinem Inneren, von deinem Wesen her, ein Leben führen willst, dass Gott ehrt, dann wirst du gewisse Dinge tun und andere lassen.
Welchen Pfad auf der Wiese du wählst ist eine Folge dessen, wer du bist.
Und Gott will, dass du Gut bist.
Du wählst den Pfad
Eben habe ich geschrieben, dass wir den Pfad auf Basis dessen wählen, wer wir sind. Dies beinhaltet implizit etwas sehr wichtiges, was ich noch einmal explizit erwähnen möchte:
Es ist nicht so, dass Gott längst jedes Detail festgelegt hat und du als Automat dies abarbeitest. Du hast eine Eigenverantwortung. Du darfst frei wählen, du sollst aber auch frei wählen.
Und da ist der Knackpunkt: Wenn ich frei wähle, dann muss ich auch die Verantwortung tragen! Und hier ist, so glaube ich, die Quelle dessen, warum so viele Menschen gerne nach dem einen Weg Gottes für ihr Leben fragen:
Oder so stellen sie es sich zumindest vor. Aber Gott will keine abhängige Babies. Er will selbstständige, verantwortliche Diener. Und ich wage an der Stelle eine steile Behauptung:
Gott will nicht für sich ausnutzen, dass wir nicht fähig sind selbstständig zu sein und verantwortlich zu handeln. Er will, dass wir unsere Selbstständigkeit - die viele nicht einmal wirkich haben, sonst wäre unsere Kultur nicht so unverbindlich - aus freiem Willen Ihm zum Geschenk machen, in dem wir uns abhängig von Ihm machen.
Dort ist der Palast - Dort nicht!
Das Ziel unseres Lebens ist klar: Die Ewigkeit bei Gott. Und per definition gehen wir jeden Tag einen Schritt weiter - nur müssen wir schon zusehen, dass wir eben einen Schritt zu Gott machen, nicht von ihm weg.
Ich glaube kein Christ würde wirklich aus tiefstem Herzen sagen, dass er zurück in sein altes Leben möchte. Dennoch stehen wir natürlich täglich in der Gefahr verführt zu werden uns zurück zu wenden. Das ist, leider, natürlich so. Und es ist eben unsere Aufgabe, unsere Verantwortung, unseren Blick auf Gott zu lenken. Denn wie wird jeder Fahrlehrer bestätigen:
Dahin wohin wir gucken bewegen wir uns auch hin.
Die Wiese ist vielfältig
Die Wiese ist nicht einheitlich, es ist nicht nur grünes, gut gepflegtes Gras. Es ist Höhen und Tiefen. Es gibt flache Stücke, die aber vielleicht einen Umweg machen, und manchmal ist ein direkterer Pfad möglich, der aber vielleicht mal durch ein Tal geht.
Welchen Weg davon wir nehmen ist, wie oben ausgeführt, unsere Entscheidung. Aber jede Entscheidung hat natürlich Konsequenzen und Folgen. Damit geht keine Wertung einher. Und ich glaube wirklich, dass Gott uns nicht krumm nimmt, wenn wir den gewählten Pfad doch ändern, weil wir merken, dass wir vielleicht doch noch nicht dazu fähig sind - oder weil wir einen Freund dazu holen wollen.
Aber, jede Entscheidung hat eben Folgen. Wähle ich einen Weg stets im flachen, einfachen kann es sein, dass ich gewisse Erfahrungen erst deutlich später mache als andere. Oder, dass mir ein gewisses Verständnis länger verschlossen bleibt. Wie heißt das deutsche Sprichwort?
Wer nicht ins Wasser geht, kann auch nicht schwimmen lernen
Aber, jede Entscheidung hat eben Folgen. Wähle ich einen direkten Weg, so kann es sein, dass dieser nicht ganz ohne ist. Vielleicht geh ich stellenweise durch einen Wald und sehe nicht mehr genau wo der Palast liegt. Vielleicht gehen wir auf einen Hügel zu und sehen nur noch diesen massiv vor uns aufragen und fragen uns was danach kommt, und wie wird das werden. Und hört der Hügel je auf? Werde ich den Palast überhaupt noch mal sehen?
In all dem haben wir aber immer Hilfe, zum einen den Kompass von Gottes Wort und unserer inneren Werte (unser Gewissen) mit dem wir, in jeder Situation, prüfen können was die richtige Handlungsweise ist. Zum andern ist Gott immer bei uns und hilft uns gern. Dazu gleich mehr.
Etappenziele und direkt Führung
Auf dem Weg zum Palast sind wir nicht allein. Gott ist immer an unserer Seite. Und er ist nicht nur stummer, wertender Beobachter. Er hilft gerne und manchmal lenkt er auch direkt
Ich sehe verschiedene Arten, wie Gott hilft und eingreift:
- Er spricht und warnt. Er macht dir schon deutlich, wie er gewisse Sachen sieht. Nicht immer so deutlich wie ich es vielleicht gerne hätte. Aber er lässt dich nicht willkürlich blind in den Treibsand laufen.
- Manchmal zeigt uns Gott ein Etappenziel. Etwas, an dem wir arbeiten müssen (schlechte Angewohnheiten, unreine Bindungen, ...). Oder auch etwas, auf das wir hinarbeiten sollen (ein bestimmter Dienst, eine Berufung, ...). Dieses zu erreichen können wir wieder, durch die Wahl unseres Pfades, verzögern oder beschleunigen.
- An andern Stellen führt uns Gott manchmal auch direkt diesen einen Weg. Da gibt, zum Beispiel, den direkten Auftrag genau an diesem Projekt in der Gemeinde mitzuarbeiten. Oder er schickt uns auf ein Seminar, eine Freizeit, ... weil er etwas bestimmtes mit uns vorhat. Das kommt durchaus vor.
- Und manchmal ist er einfach nur da und rettet uns aus der Treibsand, wenn wir es verpeilt haben seine Warnung zu hören.
- Und, wenn ich mich nicht in der Lage sehe oder auch einfach nicht mehr will redet er hin und wieder auch Klartext. Und die kann durchaus auch heißen - wie bei mir durchaus geschehen - dass du deine eigene Verantwortung wahrzunehmen (und zum Beispiel in die Seelsorge zu gehen) hast.
Aber in all dem will er uns nicht bevormunden. Er will mündige, verantwortliche, selbstständige Diener, die sein kostbares Geschenk in die Welt tragen:
Denn Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht.